DIE EISSTADT AUF DER MARMOLADA
Der Marmolada-Gletscher war die Grenze zwischen der Donaumonarchie und dem Königreich Italien und in der Zeitraum zwischen 1915 und 1917 war er der Schauplatz vieler blutigen und heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Armeen der beiden Nationen. Der Krieg auf der Marmolada war von Anfang für die extremen Bedingungen, in denen die Soldaten zum Kampf gezwungen waren, gekennezeichnet: Kälte (sogar -40° C im Winter), Hunger, Lawinen, Erdrutschen, Blitze und Schneestürme erhöhten die ohnehin schon hohen Gefahren jedes Krieges (am 13. Dezember 1916 stürzte eine riesige Lawine das Hauptquartier der Österreicher und tötete mehr als 300 Soldaten; in dem gleichen Winter waren über 200 die italienischen Verluste wegen Lawinen).
Die Kontrolle über die strategischen Punkte der Marmolada in einem Stellungskrieg war die Priorität der beiden Armeen, und vielen waren die Ideen, um dieses Ziel zu erreichen: der Generalmajor der italienischen Armee Peppino Garibaldi wollte dank eines riesigen Heißluftballons nach einem Flug über die Südwand der Marmolada die Österreicher von oben angreifen und das Merkwürdige ist, dass die italienische Regierung die Materialien für den Bau des Ballons wirklich lieferte, aber das Projekt wurde sofort auf Eis gelegt.
Die Österreicher wollten die kontinuierliche Lieferung von Waffen und Nahrungsmittel für die Soldaten durch die berühmte “Forcella V” der Marmolada sicherstellen aber die anstrengende Märsche, die Gefahren der Berge und das Feuer des Feindes töteten die Mehrzahl der Träger. Lt. Leo Handl, Kommandant der Bergführer-Kompanie und Mann von großen Talent und Mut, als er an der Kriegsfront ankam, hatte eine große und verrückte Idee: der Aufbau einer Eisstadt. Ein komplexes System von in dem Marmolada-Gletscher gegrabenen Tunneln und Durchgängen ermöglichte die Waffen- und Lebensmittelversorgung, ohne sich der Gefahren der Oberfläche auszusetzen.
Die Tunnel (2,5 M breit und 2 M hoch) wurden von den österreichischen Soldaten gegraben mit einer Geschwindigkeit von 6 M pro Tag und die Eisstadt war fertig im Frühjah 1917. Die Komplexität der Arbeit war bewundernswert: die Eisfestung enthielt Quartiere für Hunderte Soldaten, Küchen, Feldkrankenhäuser, Hauptsitze der Offiziere, Lager, Bunker und sogar ein komplexes Dekompressionssystem , das die Luftströmung entlang der Tunnel verlangsamte. Die in Marmolada gesammelte Erfahrung war so innovativ, dass die Österreicher diese Techniken in anderen Kriegsfronten verwendeten, wie z.B. in Ortler, Adamello und Presena sul Tonale. Die Eisstadt ermöglichte der österreichischen Armee, ihre Positionen bis zur Niederlage von Caporetto im November 1917 trotz der offensichtlichen Ungleichheit der Bewaffnung im Vergleich zu dem italienischen Heer zu halten. Die Eisstadt war schon im Jahr 1922 vollständig verschwunden, aber der Rückgang der Gletscher in Europa, die nun scheinbar stehen geblieben ist, hat in den letzten Jahren viele Funde aus der Kriegzeit zurückgegeben, die zum großen Teil im Museum des Ersten Weltkriegs auf der Marmolada enthalten sind.
